Biedermann und die Brandstifter

Biedermann und die Brandstifter

Biedermann und die Brandstifter

Lehrstück ohne Lehre von Max Frisch

»Wir sind bereit, nicht bloß den Urhebern unsrer Katastrophe eine volle Amnestie zu gewähren, sondern sogar uns selbst, indem wir alle historischen Katastrophen, die gewesenen wie die kommenden, als ein schlichtes Schicksal betrachten, als unvermeidlich.« Diese Sätze aus Max Frischs 1952 entstandenem Hörspiel »Herr Biedermann und die Brandstifter« fehlen zwar im fünf Jahre später uraufgeführten Stück, doch umschreiben sie das vielleicht zentralste Anliegen, das Frisch mit seiner Parabel verfolgte: den »unbescholtenen« Bürger und dessen Schönfärberei angesichts drohenden Unheils in die Verantwortung zu nehmen.

 

Erzählt wird vom Fabrikanten Biedermann und seiner Frau, in deren Stadt Brandstifter ihr Unwesen treiben, Häuser okkupieren und dann anzünden. Auch Biedermann erhält eines Tages Besuch von einem Fremden, zu dem sich bald noch ein zweiter gesellt. Sie nisten sich ein und verfolgen lustvoll einen Plan, der die Anschaffung von Petroleumfässern und Zündschnüren vorsieht. Und sie tun dies direkt vor den Augen Biedermanns, der die Bedrohung einfach nicht wahrhaben will.

 

In Markus Heinzelmanns Inszenierung wird das groteske Spiel durch eine Live-Kamera wie unter ein Brennglas gerückt. Dazwischen agiert ein Chor, der mit der Frage ringt, was die Welt eigentlich braucht, damit sie eine Zukunft hat? Indem die Chorist:innen mahnen und warnen, reiben sie sich an Biedermanns neoliberaler Selbstbezogenheit, ohne Gehör finden zu können. Und so bewegen wir uns weiter zwischen gewesenen und kommenden Katastrophen; nicht wissend, wie nahe wir dabei bereits dem Abgrund gekommen sind…

 

Max Frischs »Lehrstück ohne Lehre« ist ein böser, lustiger Streich, eine clowneske Zuspitzung. Vor zwanzig Jahren hätte man nicht geglaubt, dass es heute wieder ein Zeitstück ist. Immer frecher agieren Populist:innen, die sich als repräsentativ für »das Volk« verstehen und das demokratische Miteinander mit Füßen treten. Und wie Biedermann verliert sich nach wie vor ein zu großer Teil des »aufgeklärten« Bürgertums angesichts dieser Schamlosigkeiten in Schönfärberei und Verharmlosung.

 

Markus Heinzelmann entwickelte am Staatstheater Braunschweig bisher als kollektives Projekt den Abend »Reich und Himmel« und führte gemeinsam mit Bo Wiget Regie bei »Sgt. Pepperʼs Lonely Hearts Come Back«. Mit seiner Inszenierung von »Andorra«, 2016 am Saarländischen Staatstheater, hat er schon einmal die bestürzende Aktualität des Autors Max Frisch unter Beweis gestellt.

 

Aufführungsdauer: ca. 1 Stunde und 50 Minuten, keine Pause

 

Zur Audioeinführung von Holger Schröder | 6 Minuten

Besetzung

Regie: Markus Heinzelmann
Bühne, Kostüme und Kameraregie: Nicole Hoesli, Matthias Huser
Musik: Viktor Marek
Dramaturgie: Holger Schröder
Herr Biedermann: Georg Mitterstieler
Frau Biedermann: Saskia Taeger
Anna: Nina Wolf
Schmitz: Cino Djavid, Valentin Fruntke
Eisenring: Götz van Ooyen
Ein Dr. phil.: Klaus Meininger
Der Unbekannte: Luca Füchtenkordt
Chor: Leni Becker, Hannah Roether, Josefine Dirwehlis
Live-Kamera: Lukas Pergande

Pressestimmen

»Böse durch Unterlassen. Starkes, beklemmendes Bühnenbild mit allwissender Kamera, in der sich die Sicherheit des Wohlstands-Bunkers auflöst. Ambitioniert, ästhetisch stark, gedankenreich«.

»Markus Heinzelmann aktualisiert an kleinen Stellschrauben und haucht dem Stück sogar noch ein wenig Optimismus ein… er verleiht der Inszenierung und ihrer Botschaft eine gewisse Dringlichkeit, oder sogar Verzweiflung. Spaßig ist, wie sie mit Frischs Material spielt: Eine kleine Umsortierung hier, ein vorzeitiges Ende da, Figuren, die sich ganz klar in der Jetztzeit bewegen: Und schon beleuchtet "Biedermann und die Brandstifter" – mal wieder – auf bösartige Weise die Gegenwart. Aber dieses Mal brennt wenigstens nicht alles. Noch nicht«.



Internetpartner

Termine


  Letzte Aufführung: Do 16.05.2024