VR-Inszenierung mit Thomas Brasch von RAUM+ZEIT
Uraufführung
Die Uraufführung »Mädchenmörder :: Brunke« des mehrfach preisgekrönten Theaterkollektivs RAUM+ZEIT lässt den Schriftsteller Thomas Brasch (1945-2001) wiederauferstehen und für eine Lesung nach Braunschweig kommen. Der Fall Karl Brunke, eine wahre Braunschweiger Geschichte, sorgte zu Beginn des 20. Jahrhunderts für Aufsehen, da Brunke zwei junge Frauen, angeblich auf deren Wunsch, ermordete. Brasch hatte in den 1990er Jahren zurückgezogen und wie besessen zu diesem Verbrechen recherchiert. Mehr als 14.000 Manuskriptseiten sind dabei zusammengekommen und heute archiviert. Braschs Verlag veröffentlichte 1999 daraus einen Band mit gerade mal hundert Seiten Umfang.
Die Inszenierung in der Regie von Bernhard Mikeska entführt das Publikum, das mit VR-Brillen ausgestattet wird, im Verlauf der Lesung immer wieder in die Welt Brunkes und bietet mit dem Wechsel der Erzählebenen ein neuartiges Theatererlebnis: Die Geschichte, mit der Brasch sich seiner eigenen Abgründe vergewissern wollte, verschlingt den alternden Autor. Die Realitäten überlagern sich im Lauf des Abends, die Grenze zwischen Brasch und Brunke verschwimmt. Bald wird fraglich, wer von den Beteiligten dieser Geschichte eigentlich zum Opfer fällt.
Thomas Brasch war ein deutscher Schriftsteller, Dramatiker, Dichter, Drehbuchautor und Regisseur. Er wurde als Sohn jüdischer Emigranten in England geboren und zog 1947 mit seiner Familie in die sowjetische Besatzungszone. Seine Texte wurden vermehrt von der DDR-Regierung zensiert. Mitte der 1970er stellte er einen Ausreiseantrag und zog mit seiner Partnerin Katharina Thalbach und deren Tochter Anna nach Westberlin. Zu seinen bekanntesten Werken gehören »Lovely Rita«, »Vor den Vätern sterben die Söhne« und »Der schöne 27. September«. Auch als Filmregisseur machte sich Thomas Brasch einen Namen. Bereits sein Debütfilm »Engel aus Eisen« (1981) wurde mehrfach ausgezeichnet. 2001 starb Thomas Brasch in Berlin an Herzversagen.
RAUM+ZEIT ist ein Theaterkollektiv um den Regisseur Bernhard Mikeska und den Autor Lothar Kittstein. Seit 2009 erarbeitet die Gruppe in wechselnden Konstellationen in der Schweiz und in Deutschland hybride Installationen. Spektakulär gelingt ihnen die Verbindung zwischen neuen Technologien und analogem Theater. Ihre Arbeit »Antigone :: Comeback« wurde zum Schweizer Theatertreffen 2019 eingeladen und war im Sommer 2021 auch als Gastspiel im Staatstheater Braunschweig zu sehen, die Produktion »Berlau :: Königreich der Geister« erhielt den Friedrich-Luft-Preis für die beste Berliner Theaterinszenierung der Spielzeit 2021/2022.
Aufführungsdauer: ca. 1 h 30 min
»Regisseur Bernhard Mikeska und Autor Lothar Kittstein erreichen das Hauptziel ihres Projekts „Mädchenmörder :: Brunke“ überzeugend: mit der Wahrnehmung zu spielen, die Grenzen zwischen Figuren und Realitätsebenen, Publikum und Protagonisten durchlässig zu machen. Interessante Produktion, starke Darstellende, einen Besuch wert.«
»Surreal, beklemmendes Stück mit traumartiger Parallelwelt.«
»Mit spielerischer Ironie inszeniert Bernhard Mikeska ein Vexierspiel aus Brechungen und Spiegelungen. Im steten Wechsel von Live- sowie VR-Theater entwickeln sich so Form und Inhalt ganz wunderbar auseinander, sodass die Verschmelzung gelingt. Brasch verliert sich real in den Untiefen seines Lebens, im Theater in der Imagination und virtuellen Realität: Brasch wird zu Brunke, Brunke wird zu Brasch. Die Identitätsverwirrung des rastlos Suchenden im Angesicht des banal Bösen überzeugt darstellerisch wie technisch. …ein faszinierendes Theatererlebnis.«
Letzte Aufführung:
Sa
08.06.2024