Oper von Georg Friedrich Haas
mit einem Text von Händl Klaus / in deutscher Sprache
Die Neuinszenierung der Oper »Koma« von Georg Friedrich Haas ist nach u. a. »Dead Man Walking«, »Das große Heft«, »Dog Days«, »Hanjo« und »Angels in America« das nächste zeitgenössische Werk am Staatstheater Braunschweig und verspricht ein weiterer Höhepunkt in der Auseinandersetzung mit neuen Formen des Musiktheaters zu werden. Unter der Musikalischen Leitung von Alexis Agrafiotis und in einer Inszenierung von Intendantin Dagmar Schlingmann wird das Publikum dabei nicht im Saal, sondern auf der Bühne Platz nehmen. Die Zuschauer-Kapazität im Großen Haus des Staatstheaters ist deshalb auf 180 pro Vorstellung begrenzt. Außerdem werden Teile der Aufführung, wie vom Komponisten vorgesehen, in völliger Dunkelheit stattfinden.
»Koma«, entstanden in Zusammenarbeit mit dem Librettisten Händl Klaus, ist eine Reise in die Erfahrungswelt zwischen Leben und Tod. Das Werk wurde 2016 in der Fachzeitschrift Opernwelt zur »Uraufführung des Jahres« gewählt und ist mit »Bluthaus« (2011) und »Thomas« (2013) Teil einer Trilogie, in der sich eindringlicher Sprechgesang mit einer faszinierenden »zwischen psychoaktivem Flirren und soghaften Wummern changierenden Orchestermusik« (Süddeutsche Zeitung) verbindet.
Seit einem Unfall liegt Michaela, gesungen von Ekaterina Kudryavtseva, im Wachkoma. Um sie versammeln sich Familie und Freunde, sprechen zu ihr, berühren sie. In der Hoffnung, zu Michaela vordringen zu können, sie wortwörtlich wieder »zu sich kommen« zu lassen, erinnern sie sie an verschiedene Erfahrungen aus ihrem Leben: Szenen ihrer Kindheit, das belastete Verhältnis zur Mutter, Momente der Nähe und Liebesbeziehungen …
Georg Friedrich Haas: Michaelas »Zustände finden sich auch in der Musik wieder, und zwar nicht nur, weil ich noch nie in einer Oper so konsequent mit Dunkelheit gearbeitet habe, sondern weil es diese klaren Nuancierungen gibt. Im Dunkeln kann das Orchester wie eine große Orgel zu einem einzigen Instrument werden. Im Halbdunkeln herrscht angespannte Ruhe. Das Licht steuert immer wieder das musikalische Geschehen. [...] Am Ende übertragen die Musiker:innen den Rhythmus ihres eigenen Atems in die Musik, quasi als Vervielfältigung des Atems der im Koma liegenden Michaela.«
Georg Friedrich Haas, der im letzten Sommer 70 Jahre alt geworden ist, studierte bei Friedrich Cerha in Wien, nahm an Kursen in Darmstadt und am IRCAM-Institut in Paris teil. Er leitete von 1991 an sein erstes Festival und unterrichtet seit 2013 als Professor für Komposition an der Columbia University New York. Er fühlt sich einerseits in der europäischen Tradition verwurzelt und ist andererseits stark von der ästhetischen Freiheit amerikanischer Komponisten wie Charles Ives, Harry Partch, John Cage und James Tenney beeinflusst. Immer wieder verweist er zudem auf die Klangmystiken der Komponisten Giacinto Scelsi und Ivan Wyschnegradsky. Haas hat mit einer Vielzahl von Werken für großes Orchester, für Kammerorchester, insgesamt neun Opern, zehn Streichquartetten, vielfältiger Kammermusik und Vokalwerken weltweit ein Publikum auch jenseits der spezialisierten Zirkel Neuer Musik gefunden. In einer von der italienischen Musikzeitschrift »Classic Voice« veröffentlichten Umfrage belegte Haas mit großem Abstand den ersten Platz unter den wichtigsten Komponisten der Gegenwart.
Aufführungsdauer: ca. 1 h 50 Min
Zur Inszenierung »Koma« liegen weitere Hinweise (Content Notes) vor. Diese können bei Bedarf im Bereich Barrierefreiheit unter Sensorische Reize und Content Notes abgerufen werden.
»Wie die Musik den Zwischenzustand einer uneinholbar Entrückten mehr als 100 Minuten lang grundiert, befeuert, überhöht, konterkariert und abstrahiert, ist ebenso großartig wie es die Musiker:innen sind, die bruchlos von den dirigierten Passagen im Hellen zu den auswendig in die Schwärze hineininterpretierten Takte gleiten. (…) Ein musikalisch, optisch, inhaltlich lange nachhallender Abend.«
»Allergrößte Hochachtung für die Arbeit, die da drinsteckt, da auch wirklich Kunst zu machen, es nicht nur zu absolvieren, sondern das Publikum wirklich da reinzuziehen in die originelle, spannende, zum Teil verstörende Klangwelt.«
»Das geht unter die Haut. Ein Erlebnis.«
»Dagmar Schlingmann und ihr Team kontextualisieren die Musik in einer Inszenierung der klaren Formen und der Bedeutungsperspektive. Nur durch die Sinnbrücke des Spiels mit Licht und Dunkelheit kann die Musik überhaupt wirken. Die immersive Erfahrung (ist) sehens- und vor allem hörenswert.«
»Die großflächigen Verdunklungen haben in dem Medium Oper, das von Inszenierung, vom sichtbaren In-Szene-Setzen, lebt, absolut überzeugen und in neue Vorstellungs- und Erfahrungswelten führen können. Auch wenn das Thema Tod und Sterben noch immer zu den Tabuthemen unserer Zeit gehört, sollte man sich auf Koma einlassen – nach der Vorstellung hat auch das eigene Leben völlig neue Konturen und ist wertvoller denn je.«
Letzte Aufführung:
Sa
01.06.2024